Meditation und Gesellschaft

Menschen hatten bereits vor Tausenden von Jahren Meditation entdeckt, um einerseits den verborgenen Geheimnissen des Lebens auf die Spur zu kommen und andererseits, um die Verstrickungen aufzulösen, die zum Leiden führen.
Daraus sind viele Lehren, Empfehlungen und Anweisungen entstanden, in denen auch die methodische Praxis der Meditation ihren festen Platz gefunden hat.

Die konsequente Praxis führt bekanntlich zu einem gleichmütigeren Umgang mit den Herausforderungen des Lebens und in dem Begriff Gleichmut steckt das Wort „Mut“, was darauf hinweist, dass es Mut erfordert, sich den Dingen zu stellen, ohne die Ruhe zu verlieren oder in schwierigen Situationen in einen Konflikt zu flüchten.

Meditierende erlangen mit konsequenter Praxis auch mehr Zufriedenheit. In diesem Begriff steckt das Wort „Frieden“. Gemeint sind damit innerer Frieden, Ausgeglichenheit, Resilienz, welche in ihrer Wirkung auch nach außen getragen werden.

Innere Ruhe

Obwohl die vielen positiven Wirkungen konsequenter Meditationspraxis weithin bekannt sind und geschätzt werden, ist unsere Welt alles andere als von Gleichmut und Frieden beseelt. Woran kann das liegen?
In erster Linie liegt es wohl daran, dass Mensch gewohnt ist, vor allem auf das Materielle, Greifbare zu fokussieren und als wichtig und steuerbar zu akzeptieren, während der geistigen Welt, die sich in Gedanken, Gefühlen und Emotionen zeigt, keine vergleichbar ebenbürtige Wichtigkeit zugesprochen wird.

Jeder kennt den Spruch „Gedanken werden Dinge“ oder das bekannte Zitat aus dem Talmud:

Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte, achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen, achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten, achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter, achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.

Dennoch wird Schicksal vordergründig als etwas gesehen, das ohne eigenes Zutun von außen in unser Leben einbricht. Verantwortung für Ereignisse wird auf diese Weise nach außen projiziert.

Auch ist uns oft nicht bewusst, dass wir mit unserer Geburt lediglich als eine Art „Konzept Mensch“ in die Welt kommen, das dann von äußeren Einflüssen durch Erziehung geformt wird und dem dadurch eine an die ebenso geformte Gemeinschaft angepasste, künstliche Identität gegeben wird.
Das ursprüngliche Konzept, mit dem wir geboren werden, bestehend aus heilsamen und unheilsamen Anteilen, bleibt dabei unberührt und unverändert, wirkt aber zeitlebens aus dem Unbewussten in unsere Geschicke.

Die heilsamen Anteile, beschrieben im Dhamma und in moderner Form in der buddhistischen Psychologie, sind
– Loslassen können
– Freigiebigkeit
– Liebe, Mitgefühl, Weisheit

Die unheilsamen Anteile sind entsprechend
– Gier (Festhalten)
– Hass (Ablehnung)
– Verblendung (die Dinge nicht so sehen wie sie wirklich sind)

Aus den unheilsamen Anteilen ergeben sich die 5 Hindernisse, die ausnahmslos jeder Mensch mit in sein Leben bringt:
– Ablehnung (zwanghafte Kritik, Problem Orientierung, Feindbilder, Intoleranz)
– Gier (Festhalten, Abhängigkeit)
– Trägheit (Bequemlichkeit, Desinteresse)
– Ablenkung (Unfähigkeit sich auf Ziele zu konzentrieren)
– Zweifelsucht (Unfähigkeit Entscheidungen zu treffen)

Der einzige Weg das angeborene Konzept aus heilsamen und unheilsamen Anteilen im Sinne der heilsamen Anteile zu verändern, ist, beide Anteile durch achtsame Selbsterkenntnis kennenzulernen!

„Im Leben eines jeden Menschen gibt es zwei innere Wölfe, die miteinander um sein Herz kämpfen und ringen. Einer der beiden ist rachsüchtig, aggressiv und grausam. Er verspürt Ärger, Angst, Verleugnung, Neid, Eifersucht, Sorgen, Gier, Arroganz, Selbstmitleid, Einschränkung, Lügen, Schuld, Überheblichkeit und Missgunst.
Der andere hingegen ist liebevoll, sanft und mitfühlend. Er verspürt Heiterkeit, Freude, Frieden, Liebe, Hoffnung, Wirksamkeit, Offenheit, Freundschaft, Gelassenheit, Selbstbestimmung, Wahrhaftigkeit, Güte, Wohlwollen, Großzügigkeit, Dankbarkeit, Vertrauen, Klarheit und Weisheit.”
Die Enkel dachten eine Weile über die Worte nach und einer von ihnen fragte sodann: “Welcher der beiden wird den Kampf um das Herz gewinnen?”.
“Der Wolf, der am häufigsten gefüttert wird.” antwortete der Alte. „Darum lebe achtsam und lerne beide Wölfe gut kennen. Und dann wähle jeden Tag von Neuem, welchen Wolf du füttern möchtest.“

Meditation ist ein Weg, um mit unseren angeborenen Anteilen in Kontakt zu kommen.
Vor einer Meditationssitzung können wir z.B. feststellen, dass wir uns von äußeren Einflüssen oder aufkommenden Gedanken ablenken lassen und nicht die klare Entscheidung treffen, die Meditationssitzung durchzuführen.
Vielleicht geschieht es auch, dass uns während der Sitzung etwas nicht gefällt, sei es ein schmerzendes Knie oder der Ärger darüber, dass der umtriebige Geist diesmal nicht zur Ruhe zu bekommen ist.
Vielleicht plagt uns auch der Zweifel, ob die gerade praktizierte Meditationsmethode die richtige ist, oder ob Meditation überhaupt der geeignete Weg für mich ist.
Gleiches passiert uns dann auch in den verschiedensten Situationen des Alltags.

Da wir alle von Geburt an mit diesen heilsamen, unheilsamen und daraus resultierenden Hindernissen auf die Welt kommen, reagieren wir alle sehr ähnlich. Wir denken, fühlen und handeln unbewusst auch als Kollektiv.

Was ist für jeden Menschen näherliegender, als zu beginnen sich mit seinen innewohnenden Anteilen mehr und mehr auf liebevolle Weise vertraut zu machen und die richtige Wahl zu treffen, welche Anteile ich fördern möchte?