Krisenzeiten

In Krisenzeiten sind die Sinne, als nach außen gerichtete „Antennen“, ganz besonders auf äußere Einflüsse gerichtet.

Zugang zur Innenwelt zu bekommen, fällt einem in diesen Zeiten dann eher schwer.
Natürlich fühlt man sich generell eng und unwohl in bedrohlichen Situationen, aber die misslichen Empfindungen werden zusätzlich noch verstärkt, wenn man dazu neigt, sich gerade in Krisenzeiten in Horrorszenarien hinein zu phantasieren.
Intuition, klares Denken und die leise Stimme des Herzens werden von belastenden Gedanken und äußeren, vor allem medialen, Einflüssen übertönt. Man fühlt sich gänzlich abgeschnitten von sich selbst und oft in Abwehr gegenüber seines Umfeldes.

Wenn Gefahren auftauchen, übernimmt ein neuronales Regelwerk im Gehirn unter der Regie der Amygdala (Mandelkern) die Führung. Es bewirkt affektive Reaktionen auf Situationen, die als bedrohlich eingestuft werden, ohne dass wir darüber nachdenken müssen und in solchen Situationen können wir das auch nicht. Dafür sorgt dieser „Notfallschalter“, den uns die Evolution mit auf den Weg gegeben hat, um Überleben in akuten Situationen zu sichern.

Im Dauerstress, der auch in Krisenzeiten durch gedankliche Szenarien und negative Nachrichten verstärkt und aufrecht erhalten wird, befindet man sich fast ständig im Notfallmodus, ob nun eine akute Gefahr droht oder nicht. Die reine Vorstellung, was geschehen könnte, bringt die Amygdala ebenso in Aktion, wie eine reale Gefahrenlage.

Das Gehirn unterscheidet nicht zwischen dem was ist und dem was man sich vorstellt.

Viel zu selten kommt man auf die Idee, einige Male tief durchzuatmen und die Aufmerksamkeit nach innen zu lenken und sich dort die Turbulenzen anzuschauen.

Wer es auf die meditative Weise tut und aus der Beobachterperspektive schaut, wird feststellen, dass die empfundene Krise zu einem beachtlichen Anteil aus gedanklichen Szenarien besteht, die das klare Denken vernebeln.
Man hat es mit einer individuellen Krisensituation zu tun, die sich im Kopf abspielt und sich wie in einem Film in ganz eigener Dynamik und Tragik darstellt.

Hinter belastenden Gedanken und aufwallenden Emotionen wartet Bewusstsein als Beobachter und aus dieser Perspektive werden die turbulenten Geistesbewegungen vor dem Hintergrund bewusster werdender Stille eben als nicht solide, vergängliche und energetische Bewegungen des Geistes erkannt, mit denen sich die Identifikation auflöst.

In dieser aufkommenden Stille, in der nichts zu sein scheint außer Leere, verstärkt sich die Wahrnehmung von vollkommener Präsenz und Klarheit, die den inneren Raum füllt.
In dieser Stille tauchen auch Gedanken auf, die von einer ganz anderen Stimme kommen, als die oberflächlichen Gedanken des Tagesbewusstseins.

Dies kann der Beginn von Kontemplation sein, das einem inneren Spüren gleicht und Antworten erscheinen lässt, die den Charakter von Weisheit haben. Sie spiegeln Wahrheit und Weisheit des innersten Selbst wider.

Wer sich oft meditativ und kontemplativ seiner Innenwelt zuwendet, wird diesen Hauch an Antworten des innersten Selbst mit in den Alltag nehmen, selbst wenn die turbulenten Gedankenstrukturen des Alltags ganz andere Bilder aufkommen lassen. Diese Stimmung erkannter Wahrheit wird kraftvoll im Hintergrund leuchten und ein Gefühl der Geborgenheit in der inneren Mitte bescheren und einen gleichmütigeren und konstrukiveren Umgang mit der realen Krisensituation schenken.