Oft denke ich an die Zeit mit Osho zurück. Damals, in den 1980er-Jahren nannte er sich noch Bhagwan Shree Rajneesh. Damals sprach er sehr oft davon, dass wir total und hingebungsvoll sein sollten bei allem was wir tun. Diese Hingabe und Totalität war oft in seinen Augen zu sehen. Er musste eigentlich gar nicht sprechen. Er verkörperte es. In manchen Momenten, wenn ich nicht damit rechne, finde ich mich in dieser Seins-Wahrnehmung wieder und es ist wie ein Flash, der alle Kräfte mobilisiert. Diese Momente sind die Tür in in einen anderen Raum, in dem das wirkliche Leben zuhause ist. Da ist keine Kontrolle mehr, aber eine unsichtbare Hand führt mich und lässt mich darauf vertrauen, dass ich den Weg nicht verfehle. Ist das Meditation, ohne einer Methode zu folgen? Ja, es ist so. Meditative Methoden sind ein Hilfsmittel, wenn ich noch nicht dazu bereit bin mich fallen zu lassen. Auch die Kontrolle des Verstandes ist ein Hilfsmittel, um Überleben wahrscheinlicher zu machen, aber sie hält mich auf einem sehr oberflächlichen Niveau ohne Tiefe, ohne Leidenschaft, ohne Liebe und ohne Hingabe. Völliges Loslassen im Vertrauen, dass mich das Leben führt, ist das Tor in die Meditation.
Ein Auszug aus dem Buch Meditation und Gehirn, Dr. Heinz Hilbrecht. Die Stufen von 1 bis 9 beschreiben die Entwicklung meditativer Erfahrung, wie sie von vielen Übenden erlebt werden. Während die ersten vier Stufen nach einiger Übung durchaus durchschritten werden können, werden die darauffolgenden Stufen 5 bis 9 erst nach sehr langer Übungserfahrung erlebt. Die Stufe 9 symbolisiert dabei die Erfahrung der Erleuchtung. Stufe 10 ist spekulativ und bewegt sich im Bereich der Weltanschauung.
Stufe 1: Außergewöhnliche, angenehme und entspannte Körperempfindungen, Glücksgefühle. Verbesserte Konzentrationsfähigkeit, moderate aber effektive Dopaminausschüttung („Lust auf mehr“), Neugier auf das Unbekannte auch durch Ausschüttung von Noradrenalin. Entstehung angenehmer Gefühle, auch ohne Stimulation von außen.
Stufe 2: Längere Phasen der Konzentration und Versenkung werden möglich. Entspannungszustände werden tiefer und gehen über die rein körperliche Entspannung hinaus. Wirkliche, tiefe Entspannung bedeutet vor allem Entspannung und Beruhigung des Geistes und nicht nur des Körpers. Die Konzentration auf innere Prozesse wird intensiver (Unterschied zwischen Entspannungstechniken und Meditation). Empfindung tiefer Freude wird häufiger. Unternehmungsgeist, Klarheit und Frische verstärken sich.
Stufe 3: Das „Loslassen“ von Empfindungen, Gedanken und Gefühlen fällt leichter. Es entsteht Frieden mit sich selbst und der Umgebung. Deutlich gemäßigtere Reaktion auf äußere Einflüsse. Absinken des Blutdrucks (durch Entspannung der Muskelarterien). Entspannungszustände vertiefen sich weiter. Durch die Verringerung äußerer Reize sucht das Unbewusste nach Orientierung und Sinn. Dadurch entstehen Illusionen (Farben, Streifen, Lichtpunkte). Trugbilder und ganze Filme können vor dem inneren Auge entstehen, haben aber keine Bedeutung.
Stufe 4: Innerer Friede wird zur Ruhe und Stille. Auch Gefühle der Freude vertiefen sich zur gleichmütigen Stille. Die inneren Bilder und Filme verwandeln sich zu unbekannten Gedankenformen. Es können Horrorbilder entstehen. Verbinden sich diese Bilder und Filme mit Gefühlen, werden die Bilder und Filme abgeschaltet. Ängste und dunkle Erwartungen können sich dadurch auch im Alltag entschärfen. Die Sinne beruhigen sich und klammern sich nicht mehr so sehr an äußere und innere Reize. Sprachliche Gedanken werden seltener.
Stufe 5: Die Umrisse des Körpers scheinen zu verschwimmen. Das Gefühl von Raum und Körperlichkeit verändert sich und wird weiter. Im weiteren Verlauf verschwindet das körperliche Gefühl ganz. Geist scheint in den Bereich der Unendlichkeit überzugehen. In dieser Stufe beginnt sich das „Ich“-Gefühl aufzulösen. Auch verschwimmt außerhalb der Meditation zeitweise die Trennung zwischen anderen Menschen und der Umwelt. Zusammenhänge bezüglich der Dinge und Lebewesen werden bewusst. Empathie verstärkt sich. Die Aktivität der Spiegelneuronen im Gehirn wird bewusst und liefert zahlreiche Informationen über andere Menschen. Man fühlt sich gewissermaßen als Teil anderer Menschen.
Stufe 6: Bewusstes Erleben wird intensiver. Bauchgefühl oder auch Intuition genannt, wird präsenter und die Sicherheit im Umgang damit wird besser. Begriffe werden im Kontext zu Erlebnissen, Gefühlen und Eindrücken erlebt und verstanden. Das bedeutet, alle Teile des Erlebens nehmen am Erleben der Umwelt teil. Das ist deshalb so, weil Vieles, das vorher unbewusst war, nun bewusst wird. Daher verschwinden in der 6. Stufe auch viele Ängste.
Stufe 7: In dieser Stufe wird erkannt, was Leere bedeutet. Wenn die Sinnestätigkeit erlischt und Bewertungen aufhören, gibt es auch keine moralischen Werte mehr und keine Substanz. Es existiert jedes Ding nicht mehr als begriffliches Ding, sondern nur noch als Konglomerat aus Teilen.
Stufe 8: Bis zur 7. Stufe erlebt sich der Meditierende noch als Beobachter einer Leere. Die Frage ist nun, was der Beobachter selbst ist. Schließlich ist er als Beobachter getrennt von der Leere als einem Objekt der Beobachtung. In der 8. Stufe beginnt sich diese Trennung aufzulösen und entspricht einer völligen geistigen Ruhe und dem Erlöschen des Bewusstseins der Sinne. Man kann sagen, dass die Geistestätigkeit zum Erliegen gekommen ist. Der Beobachter ist die Leere. Bewertung und Erinnerung spielen keine Rolle mehr. Es ist ein Zustand im Hier und Jetzt.
Stufe 9: Auf dieser Stufe ist für den Meditierenden die Dualität überwunden. Es gleicht einem vollkommenen Frieden, weil es keine Gegensätze mehr gibt.
Die Stufen 1 bis 9 erinnern an die Entwicklung des Gehirns in Kindheit und Jugend.
Hier wechseln sich enthemmende und hemmende Phasen ab. Eine enthemmende Phase stellt sich mit dem Beginn der Trotzphase (3. Lebensjahr) ein. Eine hemmende Phase folgt darauf, wenn das Kind seine Erfahrungen mit anderen Menschen in Einklang zu bringen versucht.
Viele Gründe bewegen Menschen dazu mit Meditation zu beginnen. Manche suchen einfach innere Ruhe, andere haben vielleicht Schlafstörungen, wieder andere sind von der Voraussicht auf transzendente Erfahrungen motiviert und wieder andere sind einfach neugierig und wollen sich das mal anschauen.
Bildquelle: Fotalia
Ganz gleich, welche Erwägungen Pate standen, alle werden in der ersten Zeit die gleiche Art von Erfahrung machen. Sie werden feststellen, dass ihr Geist keine sauber aufgeräumte Stube ist, sondern sich von einer recht chaotischen Seite zeigen wird.
Bei den ersten Versuchen – und auch später noch – tauchen alle möglichen Gedanken auf, ablehnende und begehrende Emotionen und körperliche Empfindungen. Ruhe und Entspannung lassen vergeblich auf sich warten.
Wer im Alltag gewohnt ist, sich effektiv mit allerlei Beschäftigung abzulenken oder ein stressiges Leben führt, ist ständig mit einen umtriebigen Geist unterwegs. In der Meditation hätte man sich jetzt etwas Anderes gewünscht. Daher ist es vor allem für Anfänger besonders hilfreich, zum Meditieren einen ruhigen Platz aufzusuchen, um dem Geist nicht unnötig viel Ablenkung anzubieten. Beschäftigung, Vernetzung und Sammeln von Informationen, sind dabei seine natürliche Lieblingsbeschäftigung. Kann man von jemandem erwarten, dass er von heute auf morgen den Hürdenlauf meistert, wenn er Bewegung nicht gewohnt ist? Sicher nicht. Mit dem Geist ist es im Prinzip das Selbe. Er muss und will trainiert werden. Deshalb verwendet man für die Meditation gerne den Begriff der Geistesschulung.
Die Sicht wird frei
Wenn die Meditationspraxis dazu führt, dass die Sicht frei wird, hört sich das schon mal gut an. Wie schön ist es doch auch, alles klar sehen zu können, wenn man mal die Fenster seiner Wohnung gründlich geputzt hat. Da kommt endlich Licht herein, die Farben werden kräftiger und die Konturen werden schärfer.
Was man aber auch klarer sieht, ist der Unrat, der sich im Laufe der Jahre vor der Haustüre angesammelt hat. Der war zuvor kaum erkennbar gewesen. Mit unserer Innenwelt ist das nicht anders. Die Konturen der angenehmen Aspekte des Daseins werden schärfer und Gedanken, die sonst nur im Hintergrund ihr Spektakel veranstalteten, kommen während der Meditation aber auch in den Blickpunkt.
Das ist der Moment, an dem sich viele Übende fragen, ob sie sich das wirklich anschauen wollen. Es liegt dann einerseits an der Willenskraft und andererseits an der Unterstützung eines Meditationslehrers, Motivation und Anreize nicht versiegen zu lassen. Was nämlich folgt, sollte Mut machen und Motivation schaffen.
Motivation fördern
Auch wenn die Meditations-Sitzungen in der ersten Zeit nicht gleich die gewünschte Ruhe bringen, so fördern sie doch interessante Aspekte des Geistes zutage. Wir merken, dass der Geist beschäftigt sein will, wie ein lebhaftes Kind. dabei springt er von einer Ablenkung zu anderen. Um ihn zur Ruhe zu bringen wird uns ein Meditationslehrer ein Meditationsobjekt anbieten. In der Regel ist das unser eigener Atem, der von selbst abläuft und auf den man den Geist richten kann, um ihn zu beruhigen. Als Meditationsobjekt kann aber auch der Körper als Gesamtes dienen, indem man aufmerksam in die einzelnen Bereiche des Körpers hinein spürt, die Empfindung unbewertet wahrnimmt und dann zum nächsten Bereich wechselt. Das trainiert das Annehmen und Akzeptieren einer Empfindung und das Loslassen, wenn man zum nächsten Bereich wechselt. Selbstverständlich können auch äußere Reize, wie Musik oder die Betrachtung eines Bildes den Geist beruhigen. Es darf ausprobiert werden, was einem besser liegt. Später zu einem anderen Meditationsobjekt zu wechseln ist immer möglich.
Von der Methode zur Meditation
Wenn wir z.B. die Atembetrachtung als Meditationsobjekt für uns gewählt haben und wir damit einigermaßen zurecht kommen, weil wir den Geist von ablenkenden Gedanken immer wieder zum Anker des Atems zurückbringen können, dann haben wir eine Methode. Die Methode ist ein Werkzeug oder eine Hilfestellung. Sie ist noch nicht die Meditation. Als wir noch Kinder waren und das Fahrradfahren lernen wollten, haben uns unsere Eltern vielleicht Stützräder an unser Rad gebaut, damit wir auf unseren ersten Fahrversuchen ein Gefühl für unser Fahrrad bekommen und nicht zur Seite weg kippen. Irgendwann, mit zunehmender Übung, merken wir, dass wir die zusätzlichen Räder immer seltener brauchen. Das Gleiche geschieht bei der Meditation. Wir trainieren unseren Geist dazu, für Momente ruhig und fokussiert zu sein und mit zunehmender Übung stellen sich diese Momente immer öfter ein. Dann erleben wir, wie sich um unseren Atem panoramaartig ein stiller Raum in uns weitet und wir erleben die ersten Momente in Meditation. Wer fleißig weiter übt, wird irgendwann sogar auf jegliche Standardmethoden verzichten können. Dann ist Der Alltag selbst die Methode und das ist der eigentliche Zweck der Übung.
Viele Menschen glauben, dass Meditation immer mit mystisch transzendenten Erfahrungen zu tun haben muss. Das kann natürlich irgendwann geschehen, aber die meditative Realität für die allermeisten Menschen sieht dann doch sehr viel gewöhnlicher aus und das ist keineswegs schlimm, sondern völlig in Ordnung.
Aufnahme im Buddha-Museum Traben-Trarbach (2016)
Oft wird gefragt, woran man merkt, dass man meditiert? Die Frage ist schnell beantwortet. Man meditiert, sobald man sich bewusst ist, welche Gedanken, Gefühle, Emotionen und Empfindungen gerade wahrgenommen werden, ohne dass man damit interagiert. Es ist ein offener, wahrnehmender Zustand, ohne sich selbst dazu in Bezug zu setzen.
Der Buddha soll mal einen seiner Zuhörer während eines Vortrags gefragt haben, ob er sich bewusst sei, dass sich seine große Zehe ständig bewegt? Der Zuhörer muss sehr erstaunt gewesen sein, denn er war sich dieser Bewegung nicht bewusst. Also war er nicht in Meditation.
„Ohne Achtsamkeit gibt es keine Meditation!„, war ein Ausspruch, den man von Ayya Khema (buddhistische Nonne der Theravada-Tradition) sehr oft hören konnte. Achtsamkeit bedeutet auf sich selbst aufpassen oder gewahr sein, was in einem gerade passiert. Besonders achtsam bin ich, wenn ich einen Moment innehalte und in mich schaue! Dann werde ich vielleicht wahrnehmen, dass da gerade ein Gedanke auftaucht oder mir wird meine Grundstimmung bewusst, die ich schon den ganzen Tag mit mir herumtrage.
Das sind Geistesformationen, die leicht aufgespürt werden können. Sie sind ganz an der Oberfläche. Natürlich gibt es Menschen, die sich auch damit etwas schwer tun. Je mehr ich Achtsamkeit übe, desto mehr wird es der Betrachtung eines Bildes als Ganzes entsprechen, anstatt der Betrachtung einzelner Details, die voneinander getrennt sind. Die Betrachtung des Ganzen kommt nach und nach.
Meditation geht aber noch weiter. Viel weiter! Die oberflächlichen Geistesformationen aus Gedanken, Gefühlen, Empfindungen und Emotionen gleichen den Wellen auf einem See. Ich schaue hin und sehe die Wellen, aber ich kann noch nicht unter die Oberfläche schauen. Im übertragenen Sinn sind das meine Alltagsgedanken, Gefühle, Reaktionen und Empfindungen. Sobald sich der See beruhigt hat, kann ich in die Tiefe schauen und erkennen, was dort alles vorhanden ist. Die Ruhemeditation (Samatha) beruhigt das oberflächliche Kräuseln. Die Einsichtsmeditation (Vipassana) bringt tiefere Erkenntnisse zur Wirkungsweise des Geistes.
Das bedeutet also, die oberflächlichen Formationen meines Geistes zu beruhigen, um in seine tieferen Sphären vordringen zu können. Auch dort bewegen sich Gedanken und Gefühle, aber sie werden – je tiefer ich vordringe – immer feiner und subtiler. Oft sind es sinnlos anmutende Gedankenfetzen, Fragmente von Gedanken und Gefühlen, die kurz aufblitzen und wieder verschwinden. Da werden auch Bilder sein, Gesichter und Landschaften, die mir fremd erscheinen können. Der Geist ist auch in der Tiefe aktiv. Je tiefer ich meinen Geist erkunde und wahrnehme, desto deutlicher werden mir die 3 grundsätzlichen Merkmale des Daseins erscheinen. (1) Ich werde erkennen, dass alles vergänglich ist. Kein Gedanke, kein Gefühl und keine Situation bleibt. (2) Alles hat das Potential Leid zu erzeugen, indem etwas Erfreuliches vergeht oder etwas Unerfreuliches zu mir kommt. (3) Nichts entsteht und besteht aus sich selbst.
Je tiefer ich vordringe, desto ruhiger wird es werden, bis sich irgendwann eine entzückende, friedliche Stille als erste Stufe der Meditation einstellt. Bis zur Erleuchtung, so ist es vom Buddha überliefert, gibt es acht Stufen zu durchlaufen.
Der sitzende Buddha Wer an Meditation denkt, wird sich vermutlich einen Menschen vorstellen, der bewegungslos und aufrecht im Lotossitz verharrt. Vor allem in den buddhistischen Traditionen wird diese Art der meditativen Versenkung geübt.
Buddha-Figur, fotografiert im Buddha-Museum in Traben-Trarbach
Es ist eine der unzähligen Methoden, die Menschen erfunden haben, um ihren Geist aus der Verstrickung mit Illusionen zu befreien, die uns davon abhalten die Wirklichkeit zu erkennen oder nicht erkennen zu wollen und dadurch mit ihr in Konflikt zu geraten, sei es, weil wir uns in Phantasien flüchten oder ihnen unbewusst folgen und dadurch für uns selbst und auch andere Leid erzeugen.
Die Methode des stillen Sitzens geht auf die frühen Yogis zurück und natürlich auf den historischen Buddha, Gautama Siddharta, der vor ca. 2500 Jahren in Indien lebte und lehrte. Aber es gibt unzählig viele weitere Methoden, die im Laufe der Zeit entstanden. Dazu später mehr.
Der Autopilot Wenn wir uns unseren Alltag mal genau anschauen und uns achtsam darüber klar werden, was wir da auf welche Art und Weise gewohnheitsmäßig den Tag über tun, werden wir sicher sehr erstaunt sein, wie automatisch alles vonstatten geht und wie wenig wir dabei bewusst anwesend sind. Vielleicht können wir uns manchmal nicht mehr daran erinnern, was wir vor 10 Minuten genau gemacht haben. Wenn wir uns nicht bewusst sind, dass wir gerade etwas gewohnheitsmäßig tun, dann fehlt die Achtsamkeit und eine Art innerer Autopilot übernimmt automatisch die Steuerung unseres Handelns. Das ist doch gar nicht schlecht, wirst Du sagen. Ist es auch nicht, wenn es um ganz praktische Alltags-Tätigkeiten geht, über die wir nicht jedes Mal nachdenken brauchen. Warum und bei welchen Gelegenheiten uns der Autopilot aber die Suppe versalzen kann, dazu komme ich später. Damit beschäftigt sich nämlich das Kerngeschäft der meditativen Praxis.
Achtsamkeit, Bewusstheit, Meditation Diese drei Begriffe sind gewissermaßen „siamesische Drillinge“. Bewusstheit ist die Folge von Achtsamkeit und ohne Achtsamkeit gibt es keine Meditation. Da haben wir also eine kausale Verkettung.
Heißt das dann, dass ich meditiere, wenn ich mir bewusst bin, was ich gerade tue? Ja, es ist der Einstieg in die Meditation. Achtsamkeit bedeutet auf sich aufzupassen. Bewusstheit bedeutet genau zu wissen, was jetzt und hier gerade geschieht. Das geht nur, wenn ich achtsam bin. Achtsamkeit ist somit eine Geistesformation, die der Konzentration sehr ähnlich ist. Ich bin dann mit einem bestimmten Bereich meines Tuns, Denkens oder Fühlens in direktem Kontakt. Eine Ausweitung meiner Achtsamkeit auf weitere, umliegende Bereiche nennt man Gewahrsein.
Ein paar Meter Meditation bitte! Wenn Du Dich entschließt, ab jetzt jeden Morgen auf dem Weg vom Aufstehen bis zum Bad ganz bewusst wahrzunehmen, was Dein Körper tut und welche Gedanken, Gefühle und Emotionen sich in Dir bewegen, wirst Du nach einigen Tagen staunen, was alles in Dir los ist. Du wirst vor allem feststellen, wie klebrig Gedanken, Gefühle und Emotionen sind und wie aufdringlich Gedanken beginnen, Dir eine Geschichte über Dich und das Leben zu erzählen. Das mag ja ganz interessant sein, aber diese Geschichten haben meist gar nichts mit dem zu tun, was hier und jetzt an diesem Morgen auf den paar Metern von Deinem Bett zum Bad wirklich passiert.
Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft Jeder kennt diese drei Zeitebenen. Oft sind wir jedoch mit Erinnerungen und Planungen beschäftigt, weil unser Verstand uns immerzu vor gefährlichen Situationen zu warnen versucht, die er aus der Vergangenheit in die Zukunft projiziert, egal, ob es mit dem Hier und Jetzt direkt zu tun hat. Anders formuliert, bewegen wir uns immer zwischen Ängsten und Hoffnungen hin und her.
Annehmen und Loslassen Es ist eine Grundeigenschaft des Geistes, entweder etwas Unerwünschtes weg zu schieben oder etwas Erwünschtes heran zu ziehen. Das Gegenteil wäre Annehmen und Loslassen und diese innere Haltung zu integrieren, das ist ein Kernanliegen der meditativen Praxis. Es gründet sich auf die Erkenntnis, dass alles vergänglich ist. Es ist ein Kommen und Gehen, Entstehen und Vergehen und sich gegen diesen naturgegebenen Prozess zu stellen, erzeugt Leid. Es bremst den Fluss des Lebens, etwas das Vergehen muss festzuhalten oder etwas das Kommen will weg zu schieben. Natürlich wirst zu heran ziehen wollen, was Du Dir wünschst und Du wirst weg schieben wollen, was Dir zuwider ist. Allerdings wirst Du das Erwünschte nicht behalten können und das Unerwünschte wird ohnehin wieder vergehen. Das Ganze deutet also auf einen entspannten, gleichmütigen und akzeptierenden Umgang mit Dingen und Ereignissen hin.
Gedanken werden Dinge Dieser geflügelte Spruch hat es bis in die Quantenphysik geschafft, wo er Bestätigung findet. Die Materie folgt der Aufmerksamkeit. Max Planck, Physiker und Begründer der Quantenphysik, beschrieb es mit folgendem Satz: „Es gibt keine Materie, sondern nur ein Gewebe von Energien, dem durch intelligenten Geist Form gegeben wurde. Dieser Geist ist Urgrund aller Materie.„. Was wir denken und fühlen, ist Ausgangsstoff für das, was wir später als Dinge oder Ereignis sehen können.
Die Hirnforschung auf Buddha’s Spuren Bis in die 1960er-Jahre waren Religion und Spiritualität kein Thema für die Wissenschaft. Das änderte sich, als der Kardiologe Herbert Benson an der Harvard Medical School begann, sich für die Wirkung der Transzendentalen Meditation des Mararishi Mahesh Yogi zu interessieren.
Bildquelle: Wikipedia, Maharishi Mahesh Yogi 1978
In diesem Zusammenhang kam Benson in Kontakt mit den Bandmitgliedern der „The Beatles“, die damals Anhänger des Yogi waren. Die Benson-Meditation, auch Relaxation-Response genannt, war seinerzeit Ergebnis der Erforschung der Zusammenhänge zwischen Geistesschulung und Vorgängen im Gehirn. In den späten 1970er-Jahren entwickelte der amerikanische Molekularbiologe Jon Kabat-Zinn die Methode der Mindfulness-Based Stress-Reduction (MBSR), die als Methode zur Stressbewältigung wissenschaftlich anerkannt bis heute angewendet wird. Durch EEG-Messungen weiß man, dass Meditation zur Harmonisierung der Gehirnwellenmuster beiträgt. Die analytischen und intuitiven Bereiche des Gehirns gleichen sich aneinander an und durch bewusstes, ruhiges Atmen sorgt das parasympathische Nervensystem für Entspannung und innere Ruhe.
„Die Medizin ist inzwischen wirklich Teil der Medizin.“
Prof. Saki Santorelli (Center Of Mindfulness In Medicine Health Care And Society, Worcester, USA
Der Säuberungsagent Meditation ist keine Pille, die man einnimmt. Meditation ist vielmehr eine Disziplin, eine Lebenseinstellung, für die es Regeln gibt. Meditation ist eine Reise zu sich selbst, die alles offenbart. Viele Menschen folgen diesem Trend, der Entspannung, Stressabbau und neue Horizonte für das eigene Erleben verspricht. Und tatsächlich erweist sich die Meditationspraxis als eine Art Säuberungsagent, der Muster des Denkens und Handelns bewusst werden lässt, so dass diese verändert oder aufgelöst werden können. Viele Menschen beginnen mit Meditation und erleben, dass es sie an Bereiche in ihnen selbst führt, die ungeliebt sind oder gar unangenehm sind.
„Ein Meditationskurs ist eine Reise nach innen, zu der man bereit sein muss…“
Ayya Khema, buddhistische Nonne der Theravada-Tradition
Man kann Achtsamkeit im Umgang mit sich selbst und der Welt wollen. Man kann Entspannung, Stressabbau, neue Horizonte, Liebe und Mitgefühl wollen, aber es bedarf einer Entscheidung, sich der eigenen inneren Realität zu stellen. Es braucht Willenskraft, um diese Entscheidung herbeizuführen.
Achtsamkeit gegenüber sich selbst kann man lernen und dann üben. Man wird schon nach kurzer Zeit feststellen, dass sich Achtsamkeit immer häufiger ganz von selbst einstellt. Meditation und Achtsamkeit reinigen den Geist von Unbewusstheit ganz automatisch.
Meditation im Alltag Das Üben von meditativen Methoden kann nie alleine stehen. Wenn wir unsere innere Entwicklung vorantreiben wollen, müssen wir unseren Alltag unbedingt mit einbeziehen. Halten wir Alltag und meditative Übungen getrennt voneinander, dann wird sich kein Erfolg einstellen. Die Erfahrungen und Einsichten, die sich während meditativer Übungen zeigen, helfen uns, die Situationen und Umstände des Alltags in einem neuen Licht zu sehen und diese Erkenntnisse können dann in meditativen Übungen weiter vertieft werden.
Kommen wir aber zurück zu unserem inneren Autopiloten. Ich hatte angesprochen, dass er uns die Suppe des Lebens gründlich versalzen kann, indem er unsere Bewusstheit weitgehend ausschaltet und uns auf der Basis seiner Gewohnheiten und Muster zu Schlafwandlern macht. Jeder kennt von sich diese automatischen Reaktionen auf bestimmte Situationen, die immer wieder – wie auf Knopfdruck – abgerufen werden. Das ist der Autopilot. Wir ahnen auch, dass uns verschiedene emotionale Reaktionen zu eigen sind, die wir als Begierde, Ablehnung, Trägheit, Ablenkung oder Unentschlossenheit erleben. Es sind menschliche Reaktionen, die wir ausnahmslos alle haben. Während der Meditationspraxis kommen wir sehr intensiv mit ihnen in Kontakt und wenn wir konsequent üben, werden sie uns im Alltag immer früher begegnen und wir haben dann die Möglichkeit uns anders zu entscheiden und nicht dem Autopiloten zu folgen. Das alles geht nicht von heute auf morgen. Es sind viele kleine Schritte. Manchmal zwei Schritte nach vorne und einen zurück und dann wieder nach vorne. Stillstand wird es nicht geben. Darüber sprach schon der Buddha. Es geht entweder vorwärts oder rückwärts. Wir können aber ganz sicher sein: der Geist macht mit. Er ist offen für unsere Bemühungen und er ist lernfähig, was immer wir ihm geben.
Viele Methoden auf zwei Wegen in zwei Richtungen Anfangs hatte ich erwähnt, dass es unzählige Methoden gibt, die zur Meditation führen können. Nicht für alle ist eine bestimmte Methode die passende. Wir können wählen. Da gibt es stille Methoden bei bewegungslosem Sitzen auf dem Meditationskissen, es gibt aktive Methoden wie Tanz, Yoga, Qigong, Musizieren, achtsames Gehen, Mantrasingen, usw. Osho hatte in den 1970er-Jahren die aktiven Meditations-Methoden in den Westen gebracht und Tausende Anhänger gefunden. Seine teils kathartischen, Körper betonten Methoden aus Tanzen, Feiern und Toben, schienen für die westlichen Menschen geradezu geschaffen. Auch heute noch erfreuen sich Methoden, wie die Dynamische Meditation, die Kundalini-Meditation uva. großer Beliebtheit.
„Meditation ist die einzige Antwort auf alle Fragen des Menschen. Sei es Frustration, sei es Depression, sei es Traurigkeit, sei es Sinnlosigkeit, sei es Verzweiflung: Die Probleme können vielzählig sein, aber es gibt nur eine Antwort, und die Antwort ist Meditation.“
Osho, Light on the path
Osho in den 1970er-Jahren
Unzählige Methoden, auf zwei Wegen in entweder stiller oder aktiver Form, können nur in zwei Richtungen gehen. Die eine Richtung ist Ruhe (Samatha). Damit gemeint ist das Üben einer Methode, durch welche der Geist durch Konzentration auf den Atem oder ein anderes Meditationsobjekt von seiner Ablenkbarkeit und Rastlosigkeit zur Ruhe gebracht wird. Es ist eine vorbereitende Übung, von der aus die Meditation in die Richtung der Einsicht (Vipassana) geht. Vipassana bedeutet in sich selbst sehen und Erkanntes bewusst zu erleben. Das Erkannte können Zusammenhänge zwischen Gedanken, Gefühlen, Körperempfindungen und Reaktionen sein oder das Gewahrwerden der Grundstimmung oder die Erkenntnis der Vergänglichkeit beim Auftauchen und Vergehen von Gedanken.
Freundschaft schließen mit sich selbst Der Sinn von Meditation ist, eine lebenslange Freundschaft mit sich selbst zu schließen, in der Mitgefühl, Liebe, Akzeptanz, Wohlwollen und Wahrhaftigkeit tragende Tugenden sind und ganz selbstverständlich auch nach außen getragen werden. Der Buddha suchte vor 2500 Jahren einen Weg aus dem menschlichen Leid und er fand diesen Weg auch durch Meditation. Den Weg aus dem Leid zu finden, bedeutet allerdings nicht, dass man den Schmerz vermeiden könne, denn wer den Schmerz vermeiden will, sperrt auch die Freude aus. Das Ablehnen von Schmerz und das Festhalten an der Freude erzeugt Leid. Annehmen und Loslassen befreit uns vom Kampf gegen das Leben, dessen natürlicher Ausdruck Veränderung durch Vergänglichkeit und Erneuerung ist. Es ist die Entspannung und Öffnung des Geistes und die Hingabe an den Fluss des Lebens, was als grundsätzliche Erinnerung in leuchtender Schrift vor jeder meditativen Praxis auftauchen sollte.
Gefahren der Meditation Meditation hat viele gute Wirkungen auf unsere Psyche und auch auf unseren Körper. Beides ist ohnehin nicht voneinander zu trennen, beeinflusst sich also auch gegenseitig. Eine Gefahr besteht darin zu glauben, dass Meditation ein Allheilmittel sei. Das ist sie natürlich nicht. Gerade Menschen mit manifesten körperlichen Erkrankungen, sollten in jedem Fall auch den Arzt ihres Vertrauens hinzu ziehen und nicht darauf vertrauen, dass sie ihr Problem allein durch Meditation lösen könnten. Das Gleiche gilt in besonderem Maße für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Aber auch wer sich körperlicher und psychischer Gesundheit erfreuen kann, sollte sich davor hüten Meditation mit unrealistischen und gar zu phantasievollen Erwartungen zu verbinden. Natürlich gab und gibt es Menschen, die tiefgreifende transzendente Erfahrungen machten und in Zukunft auch immer wieder machen werden. Der ehrgeizige und sehnsüchtige Wunsch danach kann aber dazu führen, dass man sich in eine Traumwelt einspinnt und den Boden unter den Füßen verliert. Meditation ist sehr gewöhnlich, bodenständig und direkt. Sie ist so bodenständig, direkt und ehrlich, wie das Leben nur sein kann und deshalb so wertvoll.
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