Ein Auszug aus dem Buch Meditation und Gehirn, Dr. Heinz Hilbrecht.
Die Stufen von 1 bis 9 beschreiben die Entwicklung meditativer Erfahrung, wie sie von vielen Übenden erlebt werden.
Während die ersten vier Stufen nach einiger Übung durchaus durchschritten werden können, werden die darauffolgenden Stufen 5 bis 9 erst nach sehr langer Übungserfahrung erlebt. Die Stufe 9 symbolisiert dabei die Erfahrung der Erleuchtung. Stufe 10 ist spekulativ und bewegt sich im Bereich der Weltanschauung.
Stufe 1: Außergewöhnliche, angenehme und entspannte Körperempfindungen, Glücksgefühle.
Verbesserte Konzentrationsfähigkeit, moderate aber effektive Dopaminausschüttung („Lust auf mehr“), Neugier auf das Unbekannte auch durch Ausschüttung von Noradrenalin. Entstehung angenehmer Gefühle, auch ohne Stimulation von außen.
Stufe 2: Längere Phasen der Konzentration und Versenkung werden möglich. Entspannungszustände werden tiefer und gehen über die rein körperliche Entspannung hinaus. Wirkliche, tiefe Entspannung bedeutet vor allem Entspannung und Beruhigung des Geistes und nicht nur des Körpers. Die Konzentration auf innere Prozesse wird intensiver (Unterschied zwischen Entspannungstechniken und Meditation). Empfindung tiefer Freude wird häufiger. Unternehmungsgeist, Klarheit und Frische verstärken sich.
Stufe 3: Das „Loslassen“ von Empfindungen, Gedanken und Gefühlen fällt leichter. Es entsteht Frieden mit sich selbst und der Umgebung. Deutlich gemäßigtere Reaktion auf äußere Einflüsse. Absinken des Blutdrucks (durch Entspannung der Muskelarterien). Entspannungszustände vertiefen sich weiter. Durch die Verringerung äußerer Reize sucht das Unbewusste nach Orientierung und Sinn. Dadurch entstehen Illusionen (Farben, Streifen, Lichtpunkte). Trugbilder und ganze Filme können vor dem inneren Auge entstehen, haben aber keine Bedeutung.
Stufe 4: Innerer Friede wird zur Ruhe und Stille. Auch Gefühle der Freude vertiefen sich zur gleichmütigen Stille. Die inneren Bilder und Filme verwandeln sich zu unbekannten Gedankenformen. Es können Horrorbilder entstehen. Verbinden sich diese Bilder und Filme mit Gefühlen, werden die Bilder und Filme abgeschaltet. Ängste und dunkle Erwartungen können sich dadurch auch im Alltag entschärfen. Die Sinne beruhigen sich und klammern sich nicht mehr so sehr an äußere und innere Reize. Sprachliche Gedanken werden seltener.
Stufe 5: Die Umrisse des Körpers scheinen zu verschwimmen. Das Gefühl von Raum und Körperlichkeit verändert sich und wird weiter. Im weiteren Verlauf verschwindet das körperliche Gefühl ganz. Geist scheint in den Bereich der Unendlichkeit überzugehen. In dieser Stufe beginnt sich das „Ich“-Gefühl aufzulösen. Auch verschwimmt außerhalb der Meditation zeitweise die Trennung zwischen anderen Menschen und der Umwelt. Zusammenhänge bezüglich der Dinge und Lebewesen werden bewusst. Empathie verstärkt sich. Die Aktivität der Spiegelneuronen im Gehirn wird bewusst und liefert zahlreiche Informationen über andere Menschen. Man fühlt sich gewissermaßen als Teil anderer Menschen.
Stufe 6: Bewusstes Erleben wird intensiver. Bauchgefühl oder auch Intuition genannt, wird präsenter und die Sicherheit im Umgang damit wird besser. Begriffe werden im Kontext zu Erlebnissen, Gefühlen und Eindrücken erlebt und verstanden. Das bedeutet, alle Teile des Erlebens nehmen am Erleben der Umwelt teil. Das ist deshalb so, weil Vieles, das vorher unbewusst war, nun bewusst wird. Daher verschwinden in der 6. Stufe auch viele Ängste.
Stufe 7: In dieser Stufe wird erkannt, was Leere bedeutet. Wenn die Sinnestätigkeit erlischt und Bewertungen aufhören, gibt es auch keine moralischen Werte mehr und keine Substanz. Es existiert jedes Ding nicht mehr als begriffliches Ding, sondern nur noch als Konglomerat aus Teilen.
Stufe 8: Bis zur 7. Stufe erlebt sich der Meditierende noch als Beobachter einer Leere. Die Frage ist nun, was der Beobachter selbst ist. Schließlich ist er als Beobachter getrennt von der Leere als einem Objekt der Beobachtung. In der 8. Stufe beginnt sich diese Trennung aufzulösen und entspricht einer völligen geistigen Ruhe und dem Erlöschen des Bewusstseins der Sinne. Man kann sagen, dass die Geistestätigkeit zum Erliegen gekommen ist. Der Beobachter ist die Leere. Bewertung und Erinnerung spielen keine Rolle mehr. Es ist ein Zustand im Hier und Jetzt.
Stufe 9: Auf dieser Stufe ist für den Meditierenden die Dualität überwunden. Es gleicht einem vollkommenen Frieden, weil es keine Gegensätze mehr gibt.
Die Stufen 1 bis 9 erinnern an die Entwicklung des Gehirns in Kindheit und Jugend.
Hier wechseln sich enthemmende und hemmende Phasen ab. Eine enthemmende Phase stellt sich mit dem Beginn der Trotzphase (3. Lebensjahr) ein. Eine hemmende Phase folgt darauf, wenn das Kind seine Erfahrungen mit anderen Menschen in Einklang zu bringen versucht.